„Erweiterte Hochschule“ – eine Gesellschaft der Individualitäten
Am 12. und 13. November fand in Hamburg das zweite Kolloquium „Hochschule in Entwicklung – vom übenden Umgang mit den Mantren der Klassenstunden“ statt.
Für mich war in diesen zwei Tagen eine andere Art Hochschule zu erleben – eine Hochschule mit einer wohltuenden Offenheit, mit vielen meditativen Momenten, künstlerischen Herangehensweisen und interessanten menschlichen Begegnungen.
Im Zentrum stand der gemeinsame Einstieg in die Mantren oder Inhalte der Klassenstunden in verschiedensten Formen mit ihren besonderen Möglichkeiten. Das miteinander Suchen, Einfühlen, Ausprobieren und Korrigieren auf Augenhöhe charakterisierte die Arbeitsgruppen, was Freude am Anderen und am Gemeinschaftserleben entstehen ließ. Nicht nur geduldet durfte sich „das Andere“ fühlen, sondern gewollt. Ein freies Arbeiten, dass sich nicht nach äußeren Konventionen richtete, sondern sich allein an der ernsten inneren Frage und dem eigenen Erleben ausrichtet, eröffnete neue Perspektiven. Jede und jeder wurde da wahrhaft zum Forschenden.
Die Zusammenkunft wurde, nach einer meditativ-musikalischen Einstimmung durch Matthias Bölts, mit einem Beitrag von Michael Schmock eröffnet. Darin beschreib er, wie seine eigenen Erlebnisse mit der Hochschule ihn zu einem Zukunftsbild einer „Erweiterten Hochschule“ geführt hatten – zu einer Hochschule, die sich der Vielfalt verschiedenster übender Ansätze und Herangehensweisen öffnet, zu einer Hochschule, in der neben den in der Vergangenheit bekannten Formen viele weitere Formen lebendig gepflegt wurden: von meditativen oder übenden Ansätzen, dialogischen Formen bis hin zu unterschiedlichsten künstlerischen Arbeitsweisen. In einem zweiten Schritt könnte diese sich „Erweiterte Hochschule“ ausdehnen auf Gruppen, die sich übend und forschend mit dem Eintritt in geistige Zusammenhänge des Menschen und der Welt auseinandersetzen, mit dem Feld des Karma, der Menschenkunde, der Engel-Hierarchien und des sozialen Lebens. Gruppen, die bisher jenseits der Hochschule mit Ernst und Kontinuität für ein geistiges Leben tätig waren, könnten so mit ihren Themen und Arbeitsweisen impulsgebend für ein Teil der Hochschule sein.
Von den verschiedenen Angeboten der Arbeitsgruppen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, zwei dieser Ansätze kennenzulernen. Die erste Arbeitsgruppe begann noch am Abend, die zweite am nächsten Morgen, wiederum nach einer meditativ-musikalischen Einstimmung. Jede Arbeitsgruppe suchte ihren ganz individuellen und konkreten Zugang zu den Inhalten der Klassenstunden. Im anschließenden Plenum ging es nicht um diese Inhalte, sondern um die Erfahrungen mit der jeweiligen Methode. Wie wurde gearbeitet? Wodurch wurde mir ein Zugang möglich? Wesentliche Elemente der Arbeitsweisen wurden hier zusammengetragen.
Die Rolle des „Hüters“, einem geistigen Wesen, das uns in den Mantren immer wieder begegnet und leitet und das an der Schwelle steht, wenn wir in ein eigenes geistiges Erleben eintreten wollen, stand am Nachmittag in Impulsreferaten von Elisabeth Wutte und Steffen Hartmann mit anschließendem Austausch im Vordergrund.
Das Kolloquium endete mit einem Tagungs-Rückblick und einem Blick in die Zukunft der Hochschule. Es wurde der deutliche Wunsch nach einer weiteren Vernetzung der Potenziale ausgesprochen. Wie könnte dieser Impuls der „Freien Hochschularbeit“ über Hamburg hinaus wirksam werden? Wie könnte die Anthroposophische Gesellschaft mit dieser Bewegung im Zusammenhang stehen? Könnte es eine Zusammenarbeit mit den „Vermittlerkreisen“ in Deutschland geben und mit den Verantwortlichen am Goetheanum in Dornach? Wäre es denkbar, zu so einem solchen Kolloquium nach Dornach einzuladen?
Das Wesentlichste dieses Treffens war für mich das Erlebnis der Gemeinschaftsbildung. Der gemeinsame Wille zu dieser freilassenden Arbeitsweise und das Interesse an dem, was mir durch den anderen ermöglicht wurde, hatte erlebbar etwas ganz real Verbindendes. Nicht das, was noch unbefriedigend war, stand im Vordergrund, sondern die Möglichkeiten, die Besonderheiten, die in jedem einzelnen lagen. Vertrauen in ein gemeinsames Ziel und gegenseitige Hilfsbereitschaft für die individuellen Wege dorthin, ließ uns als Gemeinschaft der Individualitäten in dieser „Erweiterten Hochschule“ zusammenwachsen.
Anke Steinmetz | AG, Arbeitszentrum Nord