Forschungsprojekt anthroposophische Meditation
Dr. Christoph Hueck von der Akanthos-Akademie in Stuttgart hat zusammen mit Prof. Dr. Ulrich Weger von der Universität Witten/Herdecke und Prof. Dr. Terje Sparby vom Rudolf Steiner University College in Oslo ein Forschungsprojekt zur Auswirkung von anthroposophischen Meditationsübungen auf die gesamtmenschliche Verfassung begonnen. Im Kurzinterview befrage ich ihn zu den Intentionen und dem aktuellen Stand des Projekts.
Sebastian Knust: Wie kam es zu dem Forschungsvorhaben und von welchen Hypothesen geht Ihr dabei aus?
Christoph Hueck: Die Übungen, die Rudolf Steiner in seinem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ beschreibt, sind grundlegend für eine Erweiterung, Vertiefung und Verlebendigung des Erkennens sowie für die persönliche Weiterentwicklung. Sie sind zugleich einfach durchzuführen. Wir möchten untersuchen, wie sich die regelmäßige Praxis dieser Übungen auf das Selbst- und Welterleben, auf die innere Sicherheit, auf die Konzentrationsfähigkeit und auf weitere Aspekte des Lebens auswirkt. Dazu haben wir drei Übungen ausgewählt: Das (ehrfurchtsvolle) „innere Nachklingen-Lassen von Natureindrücken“, die Übung „Innere Ruhe“ (sich selbst wie einen völlig fremden Menschen betrachten) und die Meditation eines mantrischen Spruches.
SK: Wie geht Ihr vor, was ist Euer „Forschungsdesign“?
CH: Wir konnten insgesamt fast 60 Teilnehmende gewinnen, die inzwischen seit zwei Monaten regelmäßig meditieren und ihre Erfahrungen protokollieren. Außer diesen täglichen Protokollen gibt es eine monatliche Befragung zu Aspekten des Allgemeinbefindens. Die Teilnehmenden erhielten eine ausführliche Einführung und genaue schriftliche Anleitungen für die drei Übungen, die sich in meiner eigenen Meditations- und Lehrpraxis seit Jahren bewährt haben. Sie üben in der Regel zwei Mal am Tag und können sich dabei jeweils eine der drei genannten Übungen aussuchen. Zudem tauschen sie sich untereinander in Kleingruppen aus und alle vier Wochen findet ein gemeinsames Onlinetreffen statt, in dem Erfahrungen berichtet und Fragen besprochen werden. Dieser „praktische Teil“ des Projekts wird über ein halbes Jahr laufen. Anschließend werden die Protokolle und Fragebögen in einer sogenannten qualitativen Inhaltsanalyse von Prof. Dr. Ulrich Weger von der Universität Witten/Herdecke und seinen Mitarbeitenden ausgewertet und die Ergebnisse in internationalen Fachzeitschriften publiziert.
SK: Gibt es schon erste Erkenntnisse und/oder Erfahrungsbericht und wann kann man auf eine Veröffentlichung hoffen?
CH: Ja, es gibt inzwischen reichhaltige Erfahrungsberichte von vielen Teilnehmenden, die in fast allen Fällen äußerst positiv sind. Nur in ganz wenigen Fällen werden die Meditationen als mühsam und nicht als bereichernd erlebt. Hier einige Zitate aus unserem letzten Onlinetreffen: „Die Übungen sind ein Instrument, um mich im Alltag besser zu ergreifen. Ich bin bewusster in Begegnungen und erlebe eine Wirkung im Fühlen und im Handeln.“ „Ich bin therapeutisch tätig und fühle mich durch das Üben sehr viel inspirierter als bisher.“ „Die Übungen regen mich an, Texte und Gedichte zu schreiben.“ „Ich übe inzwischen nicht mehr, weil ich mich verpflichtet habe, sondern weil ich diesen Weg wirklich gehen will.“ „Ich erlebe die Naturdinge, die ich beobachte, viel intensiver in mir, z. B. eine Pflanze. Und ich erlebe auch die Wirkung, die die Pflanze haben kann. Das Äußere wird zum Inneren und umgekehrt.“ „Ich bin wacher, konzentrierter, präsenter.“ „Durch das Meditieren bekomme ich eine so reiche innere Bilderwelt, dass ich kein Fernsehen mehr schaue. Ich habe kein Bedürfnis mehr nach künstlichen Bildern von außen.“ „Ich habe die sogenannten ‚Mysterien-Dramen‘, mehrere Theaterstücke verfasst von Rudolf Steiner, bisher nicht verstanden. Nun plötzlich verstehe ich, worum es geht.“ „Das Mantram, das ich meditiere, ist für mich inzwischen wie ein innerer Beziehungspartner geworden.“ „Die ‚Innere Ruhe‘ ist ein Segen.“ „Die morgendliche Meditation wirkt für mich durch den ganzen Tag.“
Außer der wissenschaftlichen Publikation der Ergebnisse wird es auch eine ausführliche Beschreibung in anthroposophischen Zeitschriften, z. B. in „dieDrei“, geben. Insgesamt bin ich sehr froh über die große Zahl an Teilnehmenden, und ich denke, man kann schon jetzt sagen, dass diese einfachen Übungen für viele Menschen sehr positive Wirkungen haben. Viele der Teilnehmenden sind auch in einem Onlinekurs zur anthroposophischen Textarbeit (an der „Theosophie“) und Meditation dabei, den ich seit Ende des letzten Jahres immer mittwochabends durchführe. Für weitere Informationen zum Forschungsvorhaben und bei Interesse an einer Teilnahme an meinen Kursen kann man sich gern an mich wenden (hueck). @akanthos-akademie.de