Archäologie und Ätherforschung
Außerhalb des Gedankenguts der Anthroposophie gibt es wohl kaum einen philosophischen oder spirituellen Verständnis-Zusammenhang, in dem Sinnliches von Nicht-Sinnlichem derart klar unterschieden wird und obendrein die nicht-sinnlichen Ebenen so stark differenziert werden. In die Faktizität der sinnlichen Wahrnehmung, erst recht, wenn man unter «Sinne» nur die herkömmlichen fünf versteht, muss nicht speziell eingeführt werden. Anders das Nicht-Sinnliche. Wie und wo finden wir es? Mit der Betätigung des Denkens geschieht unserem Verständnis nach ein erster fundamentaler Eintritt in die nicht-sinnliche Aktivität. Die ätherische Welt erschließt sich uns als ein Gebiet innerer Bilder, Bewegungsformen und Kräfte. Wir lernen in der Eurythmie diese Bilder, Bewegungsformen und Kräfte zu gestalten, in die Sichtbarkeit zu bringen. In der meditierenden Tätigkeit lernen wir die Kräfte innerlich zu erleben, uns mit ihnen vertraut zu machen. Die anthroposophische Medizin mit ihren vielfältigen Heilmitteln, die biologisch-dynamische Landwirtschaft mit ihren speziellen Präparaten sind überreiche Felder, die jedwede Gelegenheit bieten, sich ätherische Qualitäten erlebnishaft zu erschließen. Mit dem sinnlichen und nichtsinnlichen Handwerkszeug stellen wir uns in die Welt. Wir schauen und tasten in die Sinnlichkeit der Welt, wir erspüren das Ätherische, das Imaginative und schreiten fort, um auch das Inspirative in den Blick zu nehmen. Ein solcherweise erweitertes Wahrnehmungsspektrum ermöglicht erweiterte Forschungsansätze. Wo könnten sie fruchtbar gemacht werden?
Wir möchten uns in diesem Beitrag in einen Forschungszusammenhang einbringen, in dem die gegenwärtige Bemühung der sinnlich-naturwissenschaftlichen Forschung an eine Grenze stößt: an die Archäologie und folgerichtigerweise jenen Bereich, für den es keine schriftlichen Dokumente gibt, den Zeitraum des Prähistorischen. Ein vorsichtiger Versuch soll gemacht werden, sich der Megalithkultur und der darauffolgenden Bronzezeit auf eine besondere Art, nämlich nach «innerer Wahrnehmung», die wir «ätherisch/inspirativ» nennen wollen, zu nähern. Das klingt ziemlich lapidar, doch es verbirgt einen entscheidenden Aspekt. Es tut sich nämlich die Frage auf: Können wir denn diese Orte vergangener Kulturen überhaupt zum Sprechen bringen? Welches Selbstverständnis müssen wir aufbringen, dass wir den Mut bekommen, ein so unüberschaubares Vorhaben überhaupt in den Griff zu nehmen? Indem wir das Vorhaben anpacken, können wir auf buchstäblich nichts zugreifen, das ein Zutrauen in sein Gelingen-Können gewährt.
Steinzeitliche, bronzezeitliche und eisenzeitliche Grabkultur
Die Grabmonumente unserer steinzeitlichen, bronzezeitlichen und eisenzeitlichen Vorfahren bezaubern seit jeher viele Zeitgenossen. Wir bestaunen die Monumente, aber wir begreifen sie zu wenig. Wir bedauern das Fehlen jedweder Berichte. Der Grieche Herodot, der Römer Tacitus, aus deren Federn wir so viel über uns wissen, kamen zu spät, die alten Ägypter, Jahrtausende früher, liebten die Schifffahrt aber fürchteten sich vor dem offenen Meer, sandten leider keine Gefolgsleute in weit entfernte Gefilde, aus deren Berichten wir etwas über unsere eigenen nordwest-europäischen Früh-Kulturen hätten erfahren können.
Was wissen wir bis dato? Die nordische Megalithkultur bestand im Wesentlichen zwischen 3.500 und 2.500 vor Christus. Außer ihrem Ausgang im heutigen Dänemark ist über ihr Zustandekommen, über Vorläuferkulturen nichts bekannt. Typisch für diese Kultur ist das Errichten von über bis zu 100 m sich erstreckenden Arrangements aus großen und größten Findlingen zu Steinkammern (Dolmen), vielfach mit umrandenden Steinsetzungen (Hühnenbetten). Die Steinkammern dienten der Grablege, und zwar der in der Form der Ganzkörperbestattung. In vielen Fällen wurden die Überreste mehrerer Leichname gefunden. Beigaben sind meist nur spärlich, es handelt sich um Flint-Artefakte oder Keramik. Die Keramik ist typisch für ihre Zeit, es sind die trichterbecherförmigen Gefäße der gleichnamigen Kultur.
Insofern von geschätzten 12.000 «Hühnengräbern» in Dänemark und Norddeutschland etwa 3.500 wenigstens in Teilen erhalten sind, sind vergleichende Bestandsaufnahmen möglich. Die akademische archäologische Forschung unterteilt die Hühnengräber in solche mit längerem Zugang zur Grabkammer und solche mit kürzerem Zugang, kennt auch Galeriegräber, die im Gegensatz zu den vorher genannten aus Steinplatten anstatt der gröberen, zugerichteten Findlinge bestehen. Feinunterscheidungen gehen auf das Auszählen der Joche, der Zwei- oder Drei-Punkt-Auflage der Decksteine auf den Trägersteinen, gelegentliche Unterteilungen der Totenkammer in zwei, drei, vier oder mehr Quartiere oder die Existenz von alternativ Türplatten, Vorräumen oder Windfängen ein. Tatsächlich beeindruckend ist das z. T. außerordentliche Gewicht der Decksteine (viele Dutzende von Tonnen) und geradezu berührend ist das fein aufgebaute Zwischenmauerwerk zwischen den Tragsteinen. Nicht zu fassen sind die Frische der Oberfläche der nach innen gewandten Tragsteinen im Inneren der Kammern und die sorgfältige Bereitung der Böden aus gepflasterten Granitsteinen, Granitgrus und verstrichenem Lehm-Estrich in den wenigen weitgehend erhalten gebliebenen Grabmonumenten. Jenseits solcher Datenerhebung schweigt sich die gegenwärtige Archäologie aus über Zugangsmöglichkeiten und das weitere Was und Warum dieser imposanten Anlagen. Aus scheinbar gutem Grund: Hatten wir doch bekanntlich keinerlei schriftliche Überlieferung. Wollte man in dargestellter Weise in vier oder fünftausend Jahren ab heute Daten über die dereinstigen spärlichen Reste unserer heutigen Kirchen erheben, so würden archäologische Datensätze generiert wie: Bei den kleineren Anlagen meist keine, bei den größeren ein oder sogar zwei seitliche Erweiterungen, in manchen Objekten Gräber innerhalb, in anderen außerhalb der Gemäuer, manchmal Grablegen in kellerartigen Gewölben, häufig schwere Fundamente in eckiger Form an der Westseite, an der Ostseite rundlicher Abschluss, vielfältiges Gewirr von Stahlrohren und Kupferschnüren, verlegt in mürben Estrich. Man erkennt deutliche Spuren von etwas, das wir heute als Fundament eines Glockenturms, Seitenschiffe, Apsis, Grablege in Kircheninneren und Krypta, resp. außerhalb auf einem Friedhof, dem Heizungssystem und der Verkabelung für Beleuchtungsangelegenheiten und Lautsprecher bezeichnen würden. Der christliche Zeitgenosse wäre entsetzt, wenn er das Zentrum seines religiösen Lebens in derart sinnentleertem Sachzusammenhang entdecken müsste. In der Analogie verstehen wir sofort die erschreckend deprivierte Bedeutungskenntnis der zeitgenössischen Wissenschaft gegenüber den spirituellen Lebens- und nachtodlichen Vorstellungen unserer neolithischen Vorfahren.
Geschichtlich folgt auf die Megalithkultur eine Zwischenzeit, «Einzelgrabkultur» genannt. Ab ca. 2.200 vor Christus (je nach Region) setzt die Bronzezeit ein. Die mittlere Bronzezeit ab 1.600 bis 1.300 vor Christus ist gekennzeichnet durch eine Grabkultur von mehrere Meter hohen, aus Erdmaterial aufgeschütteten Grabhügeln, unter deren Zentrum sich der Leichnam, zunächst noch in Ganzkörperbestattung später nach Kremierung in Urnen, offensichtlich als Folge eines neuen Ritus, befindet.
Die eisenzeitlichen Bestattungen der Urnenfelderzeit ab 900 vor Christus behalten die Kremierung bei, die aufgeworfenen Grabhügel sind allerdings nur noch wenige Dezimeter hoch, und während die hohen bronzezeitlichen Gräber nobel, in der Vereinzelung oft an markanten Hängen zu finden sind, liegen die eisenzeitlichen Grabhügel zu vielen Dutzenden in unmittelbarer Nähe beieinander.
Fragen zum Wandel bei den Bestattungssitten
Wie dargestellt, findet während der Bronzezeit ein Wandel in der Begräbnissitte von der Ganzkörperbestattung zur Kremierung des Leichnams statt. Ganzkörperbestattung erfolgte zuvor über Jahrtausende, wie konnte es zu einer derart radikalen kulturellen Umsteuerung kommen? Um diesen Bruch des Begräbnisritus dem Leser näher vorzuführen, möchten wir eine Anleihe aus der Denkweise der pharaonischen Ägypter machen, aus einer Kulturperiode, die zeitgleich zur Bronzezeit abläuft:
«Eine ägyptische Statue zeigt viel mehr als nur eine plastische Darstellung des Menschen. Sie weist über sich hinaus auf das Wesen, das jenseits von Zeitlichkeit im reinen Wahrheitszusammenhang lebt. Dieses Wesen ist bewusstseinsmäßig mit dem Stoff verbunden, es prägt diesem quasi unvermittelt seine Anwesenheit auf […] Vielleicht ist das auch der Grund, warum der Ägypter seine Leibesgestalt auch nach dem Tod noch erhalten wollte und sie mumifizieren ließ. War sie doch Abbild geworden seines geistigen Lebens […] Und so gab es für den Ägypter keine schlimmere Strafe als die der Verbrennung, durch welche ihm auch die Früchte seines Lebenslaufs genommen wurden.»[1]
Wir fragen uns als nächstes, was die gegenwärtige archäologische Forschung zum Begräbniswandel in der Bronzezeit anführt. Der Archäologe Frank Falkenstein ist ein ausgewiesener Kenner der Bronzezeit und hat ausführlich zum Begräbniswandel geforscht. [2] Auch für Falkenstein ist der kulturelle Sittenwandel mit vielen Fragezeichen versehen. Er rechnet einerseits, wie es in der heutigen akademischen Diskussion üblich geworden ist, auch für damalige Verhältnisse in Dimensionen von ökonomischen und soziologischen Beweggründen. Es geht für ihn um eine Abschätzung von Arbeitszeit und Mühe, einen Grabhügel aufzutürmen, gegen eine solche, die benötigten Festmeter Holz für eine Kremierung bereitzustellen. Und er kommt im Rahmen dieser Aufrechnung zu dem allerdings nicht konsistenten Ergebnis, dass die Kremierung allein schon doppelt so viel Mühe verschlinge wie die Körperbestattung unter einem hohen Hügel. Im Rahmen einer ökonomischen Denkweise macht die Hinwendung zur Kremierung also keinen Sinn, wobei es ohnehin sehr fraglich ist, ob ökonomische Maßgaben jemals für die prähistorischen Bevölkerungsgruppen in ihrem gewiss religiös strukturiertem Seinsverständnis eine Rolle gespielt haben. Man denke in Hinsicht auf Arbeitszeitvermeidung und Mitteloptimierung an die aberwitzigen Anstrengungen, zig Tonnen schwere Granitblöcke zusammenzusammeln und zu Megalithgräbern zu verbauen und die «unsinnige» Gewohnheit, wertvollen Bronzeschmuck, Bronzewaffen, ja sogar Goldgegenstände in Gräbern zu versenken. Die soziologische Argumentationslinie führt die Kremation ins Feld eines außergewöhnlichen, sinnes-eindrucksvollen Events der spektakulären Verbrennung zum Zweck des andauernden Verbleibs im kollektiven Gedächtnis der teilnehmenden Trauergemeinde. Darüber hinaus wird die kulturelle Errungenschaft der Kremation begrifflich auch als «Innovation» bezeichnet, die mit Handel und Wandel aus dem südöstlichen Donauraum nach Mitteleuropa gelangt ist. Wir verstehen die Erfindung des Rads als das Musterbeispiel einer Innovation, aber kann der Umbruch des Ritus der Grablege zu einer Kremierung eine Innovation genannt werden? Worin sollte der vorteilhafte, gebrauchsorientierte Zweck dieser Innovation bestehen?
Dass wir Jetzt-Zeitler bis in seelische Tiefen gewohnt sind, die Welt unter dem Aspekt einer materialen Optimierung und Ökonomisierung aller Lebensfelder zu sehen, scheint unter vielen Kultur-Wissenschaftlern, auch den Archäologen, nicht ausreichend reflektiert zu werden. Sonst würde ein Gewahrsein dafür herrschen, dass dieses Weltmodell nicht automatisch auf andere Zeitepochen angewendet werden kann oder darf. Entsprechend vorsichtig würde man auch sein, zeitgenössische soziologische oder ökonomistische Begründungszusammenhänge in die Lebens- und Gestaltungszusammenhänge prähistorischer Kulturepochen hineinzuinterpretieren.
Gewiss, die Situation der Verfügbarkeit sinnstiftender Begründungszusammenhänge von prähistorischen Anlagen ist beklagenswert. In der Denkweise der heutigen Archäologie haben wir keine gesicherte Kenntnis irgendwelcher Umstände von Kultus, Gebrauch und Zweck prähistorischer Baukomplexe, wenn wir nicht ein in Stein gemeißeltes Täfelchen in griechischer Schrift, ein Papyrus, luft- und wasserdicht in Bleikapsel versiegelt, fänden, mit der ausführlichen und ausdrücklichen Bestimmung des in Bezug genommenen Bau-Ensembles. Wir müssen uns eingestehen, dass es solche Kapseln für die Bronzezeit nicht geben wird. Längst bemühen wir daher kulturelle Vergleiche aus rezenten steinzeitlichen Gesellschaften zur möglichen Ergründung der Intentionen unserer frühen Vorfahren. Längst setzen wir auf wissenschaftlich-technische Analysen von oft mikroskopisch kleinen Fundstücken, um beispielsweise die Essensgewohnheiten unserer Ur-Vorfahren oder deren Volksgruppenherkünfte nach Maßgabe genetischer Untersuchung von Knochen-DNA zu ermitteln. Werden wir zukünftig noch subtilere Untersuchungsmethoden nutzen? Können wir durch seelisch- geistiges Handwerkszeug verbindliche Wahrnehmungen als intersubjektive Erlebnisse an den verschiedenen Begräbnisanlagen gewinnen? Erlebnisse, die einen Hinweis geben, wohin sich das menschliche Bewusstsein entwickelt haben könnte, insofern eine über Jahrtausende gepflegte (Begräbnis-)Kultur aufgegeben wird zugunsten einer neuen? Können wir nachvollziehen, wie sich die damaligen Menschen in ein gewandeltes Seinsverständnis eingelebt hatten, dem die alte Begräbniskultur nicht mehr angemessen war?
Mittels erweiterter seelischer Wahrnehmung in archäologische Zusammenhänge vordringend, stellt sich die Frage nach dem Wie und dem Wofür. Das Wie besteht in einer Fähigkeit der hingebungsvollen Hinneigung einerseits in die Wahrnehmung, was der archäologische Ort mit unserer überpersönlichen Ätherorganisation vornimmt, und andererseits wie derselbe Ort in unsere Gedankenbildung hineinwirkt. Das Erstere ist, insbesondere für nicht mit der Eurythmie vertraute Menschen, eine eher ungewohnte Tätigkeit. Das Erlebnis des Angesprochenseins der ätherischen Füße, des ätherischen Haupts, die Wahrnehmung der Sphären des Erduntergrunds oder des Himmelsraums sind selbstkultivierte Leistungen, die für Menschen, die nicht mit der Anthroposophie vertraut sind, völlig ungeläufig sind. Dagegen ist das Hereinwehen inspirativer Gedankeninhalte, wenn auch unbewusst, überall verbreitet. Nicht immer aber ist eine Kultur der Inspiration verfügbar, der das Aushalten und die Unbehaglichkeit der Befindlichkeit der Leere vor dem inspirativen Einschlag eine Gewohnheit geworden ist. Fühlen wir uns nun zu imaginativer und inspirativer Forschung bemüßigt, kann uns eine Vielzahl von Wahrnehmungen berühren. Hier kommt nun das oben angesprochene Wofür ins Spiel. Dadurch, dass ein konkreter Sachverhalt erkundet werden soll, entsteht eine Dynamik, befeuert durch die Fragestellung: Wie kann es sein, dass der Megalith-Mensch seine Begräbniskultur der Ganzkörperbestattung, die er durch viele Jahrhunderte, wohl Jahrtausende praktiziert hat, aufgibt und sich zu etwas so Ungeheuerlichem durchringt wie den Leichnam zu verbrennen? Die Fragestellung gibt eine Richtung vor für unsere Imaginationen. Erst später, in der Zusammenschau unserer Seelenerlebnisse, werden sie in ein Verständnis gebracht werden.
Die Lokalitäten der Grabstätten
Der Nordwesten Deutschlands, das erweiterte Elbe-Weser-Dreieck, ist reich bestückt mit prähistorischen Monumenten. Für die vorliegende Untersuchung haben wir die folgenden Lokalitäten ausgewählt: In Daudieck bei Stade finden wir einen prähistorischen Begräbnisplatz mit drei Großsteingäbern, einem halben Dutzend bronzezeitlicher Hügelgräber und diversen Gräbern der frühen Urnenfelder-Eisenzeit, verteilt auf einer Fläche von ca. 10 ha. In Flögeln bei Cuxhaven finden sich zwei Megalithgräber, von denen die Kammer des einen den hervorragendsten Erhaltungszustand aufweist, und in näherer Umgebung eine Vielzahl von bronzezeitlichen Grabhügeln. In Pestrup bei Wildeshausen liegt der größte eisenzeitlich urnenfelderzeitliche Begräbnisplatz Norddeutschlands. In einigen Kilometern Entfernung, nahe der Liegenschaft Hespenusch, finden wir ein weiteres eisenzeitliches Gräberfeld, abgelegen und vorzüglich geeignet für ungestörte Betrachtungen.
Weiter stellt sich die Frage, welche Merkmale, welche Grab-Bau-Elemente der unterschiedlichen Gräbertypen in den ätherischen Blick genommen werden können, ja müssen. Sind es die Kammern, die gegebenenfalls aus Holz hergestellten Särge der Toten, sind es die Urnen, in die die Aschenreste gefüllt wurden? An der Urnenform und der Verzierung der Urnen können die Archäologen heute fachkundig die zeitliche Einordnung des Begräbnisses, der Zugehörigkeit zu kulturellen Gruppen festmachen. Für die hier angesprochene Untersuchung spielen diese Stilrichtungen eine wenig bedeutsame Rolle, denn es sind nicht Bewusstseinsfragen, ob Leichname in Tücher, hölzerne Särge oder Steinpackungen gelegt werden, Asche aus Kremierung frei ausgestreut oder in Urnen beigesetzt wird, sondern rein funktionale, zweckmäßige. Unser Blick richtet sich auf das Drumherum der unmittelbaren Grablege, denn dieses Drumherum ist plastisch gestaltbar im Sinne und als Ausdruck einer willkürlichen Verankerung eines geistigen Anschauungszusammenhangs unserer Vorfahren. Und es ist dieser Anschauungszusammenhang, den wir vermittels unserer ätherischen Disziplin zu ergründen versuchen. Wie gestaltet sich das für die untersuchten Grabtypen? Für die Megalithkultur wollen wir neben der Grabkammer insbesondere den umgebenden, weit ausladenden längs-ovalen Megalith-Kranz von Findlingen in die Betrachtung nehmen, bei den bronzezeitlichen Grabhügeln interessiert uns die Qualität der seelischen/ätherischen Eindrücke oben auf der Hügelkuppe, bei den eisenzeitlichen Gräberfeldern der ebenselbe Eindruck auf der Kuppe, nun aber im dichtgedrängten Umfeld, inmitten der Ansammlung der vielen benachbarten miniaturhaften Hügel.
Übersicht über die Beobachtungen
Ein Wort zu uns, den Autoren der Studie als Probanden: Wir haben eine Ausbildung in Eurythmie/Heileurythmie als Vollstudium oder als mehrjährigen Laien-Ausbildungskurs, haben die ätherische Wahrnehmung seit vielen Jahren trainiert namentlich aus dem vielfältigen Kursangebot der Gesellschaft für Bildekräfteforschung e. V. und haben vielerlei Erfahrung in Meditationspraxen. Wir kennen uns seit etlichen Jahren und haben zahlreiche gemeinsame Äther-Schau-Übungen hinter uns. Das bedeutet, dass wir in gewisser Weise die Äther-Schau-Weise des jeweils anderen kennengelernt, ein Verständnis dafür gewonnen und auch einen gemeinsamen Verbalisierungs-Horizont entwickelt haben. Die Untersuchungen begannen im zweiten Halbjahr 2021. Jeder machte seine eigenen Beobachtungen, schrieb sie nieder und kommunizierte sie erst danach. Typischerweise kommt hinsichtlich ätherisch-inspirativer Wahrnehmung meist eine Vielzahl von Beobachtungen zustande. In der folgenden tabellarischen Aufstellung wurden nur jene Beobachtungen berücksichtigt und aufgenommen, in denen die Probanden eine Gemeinsamkeit hatten.
Tabellarisches Verzeichnis der nichtsinnlichen Beobachtungen an den Grabanlagen
| Proband 1 | Proband 2 | Proband 3 |
Daudieck, Megalith- anlage/Hühnenbett mit Grabkammer | Schwere, langsames Verschmelzen mit der Erde, darüber eine Lichtgeometrie als Idee einer Heimat, Weltenruhe In der Kammer: sich ausweitendes Aufgehen in der Umgebung, aus der Zeit gefallen sein | Gefühl von einer Insel im zeitlosen Meer oder Zeitlosigkeit überhaupt Kammer: Geborgenheit in Mutter-Erdes-Schoß | In der Längsgerichtetheit des Hühnenbettes wird in eine zeitliche Ferne, in eine Zukunftsferne geschaut, Ewigkeitsgefühle breiten sich aus, ein Weithinausgetragen-Sein. Kammer: keine Raum, keine Zeit, unbedingtes Bei-sich-Sein, Geborgenheit im hohen Maße |
Flögeln, Megalithkammergrab, kein Hühnenbett | In der Kammer: Bewusstsein erhebt sich aus der Mitte in die Weite, als Teil der Lichtgeometrie der Welt Über der Kammer: Weite- und Helle-Erlebnis, gehalten sein in der Erde, eigene Schwere verbunden mit der Erdenschwere, kein/e gewohnte/r Raum/Zeit sondern Zeitlosigkeit, sich in die Erdenweite verteilend | Weites Raumerlebnis, leibfreier Zustand, Stille und Zeitlosigkeit, Einheitsgefühl mit den Erdkräften Über der Kammer: Erlebnis der kosmischen Weite | In der Kammer: «erdverlassene» Weite, betörende Stille; die Megalithsteine merkwürdig astral, dem Menschen so freundlich zugewendet Über der Kammer: Hügelkuppen-Gefühl, die Ätherbeine bis zu den Oberschenkeln im Boden/Untergrund versenkt, der obere Leib in den Himmel ragend. |
Daudieck, bronze- zeitl. Grabhügel | Nach weit oben ausstrahlendes Lichtempfinden, mittig wässriges Element; tief unten Ankergrund empfindend, Eindruck von Trennendem: emporgehoben sein und herab verbunden | Große Offenheit zum Kosmos empfindend, zur Umgebung und in die Tiefe der Erde, Gipfelgefühl mit Erdanbindung, umgeben von Lichtäther | Auf dem Hügel: Erhoben sein, angebunden an die Höhe des Himmels, verwurzelt sein in den Tiefen der Erde, angesprochen in der langen Oben-unten-Achse oder auch kosmisch-irdischer Bezug 2–3 m außerhalb des Hügels: heiteres, belebt-freudiges Leibesgefühl |
Flögeln, bronzezeitl. Grabhügel | Starke, weit nach oben sprühend und tief nach unten eindringende Dynamik | Hoch hinaus in den Himmel, tief hinab in das Erdreich | Sehr weit hinunter reichend, sehr hoch hinaufreichend, fast Schwindelerlebnis |
Hespenbusch/ Pestrup Eisenzeitl. Grabhügel | Erde kommt mir (hügelig) entgegen, kompakte, versammelnde Empfindung, Erdvertrauen. Landschaftlicher Gesamteindruck von gelockerter und aufnahmewilliger Erdhaftigkeit | Hügel sind wie Eigen- räume, nebeneinanderstehend, kein Kosmos- Erdentiefe-Gegensatz, der Raum zwischen den Hügeln wird als diese verbindend empfunden | Gefühl einer Mitte inmitten von anderem, Herz ist angesprochen, das Herz kommuniziert mit den Zentren der umliegenden Hügel, Füße ätherisch nur leicht im Untergrund |
Sinnzusammenhänge
Wenn man die Beobachtungen der Probanden zu überblicken versucht, so stehen in der Betrachtung der Anlagenkomplexe der Megalithkultur Erlebnisse im Mittelpunkt wie Zeitlosigkeit, Weltenruhe, das Schauen in eine Zukunftsferne, Ewigkeitsgefühle, Einheitsgefühl mit den Erdkräften. Den Blick dominiert also die ferne, zeitenhafte Ewigkeit, eine Ewigkeitsvorstellung, in der der Tote eingebettet ist und – in welcher Form auch immer – unbeschadet fortbestehen möge, eventuell ausgerüstet mit Nahrungsmitteln und Waffen, also auch seinem Prestigebesitz. Die entscheidenden Seelenerlebnisse der Beobachtenden werden vermittelt durch das Hühnenbett. Die Kammer, der Ort der Aufbahrung, unterstützt den Charakter des Ensembles als solches, an das Ewigkeitsmomente herangezogen werden.[3] Uns führen diese Erlebnisse in das zwanglose Begreifen, dass Gesellschaften, die in eine Geisteshaltung der zeitenhaften Ewigkeit eingewöhnt sind, ihre Toten, jedenfalls die Prinzipes der Gemeinschaften, in den vorgenommenen Versorgungsabsichten selbstverständlich als Leichnam in ihre Grabanlagen betten. Sei es, dass die Vorstellung besteht, dass der Tote in diese Ewigkeit hinein weiterleben möge, oder sei es, dass er als ein Unversehrter aus dieser Ewigkeit wieder hervortreten möge.[4]
Anders der Eindruck auf den Hügelgräbern der Bronzezeit. Das meditative Erlebnis offenbart hier eine Oben-unten-Beziehung. Der auf dem Hügel Meditierende fühlt seine Äther-Füße in den Grabhügel einsinken, in eine Gegründetheit, in die Tiefen der Erde, sein Haupt-Geist-Pol öffnet sich dem Oben, dem Himmel, auch dem Kosmischen. Dieser Eindruck hat nichts mit einer Zeitlichkeit zu tun, es ist das Erlebnis von Räumlichkeit, ein «Ich stehe im Raum», in der Herrlichkeit der Weltenräumlichkeit. Diese Weltenräumlichkeit ist ein Gegenwartserlebnis, kein Ewigkeitserlebnis.
Ab der mittleren Bronzezeit kommt es, wie dargestellt, zu einem bislang unverstandenen Grabritus-Wechsel. Dem Verstorbenen als Leichnam wird nicht mehr Quartier in der gewaltigen Megalithanlage gewährt, sondern er wird verbrannt. Fand eine geistige Revolution statt? Warum verbrannt? Warum ist die megalithische Umhüllung des Leichnams nun nicht mehr wichtig, ist sie vielmehr sogar hinderlich geworden? Verbietet der Eintritt in das «Primat des Gegenwartserlebnisses» das Aufbewahren des Leichnams? Tritt jetzt der Begrabende in den Vordergrund und nicht mehr der Begrabene? Behindert das Aufbewahren des Leichnams sogar die Dimension des Raumes- und Gegenwärtigkeits-Erlebnisses? Geht es um eine Befreiung des Begrabenden von einer möglichen Anhaftung an den Leichnam, indem alle Möglichkeiten der Bindung zerstört werden? Wie könnte eine solche Bindung besser gelöst werden als durch Kremierung des Leichnams? Unsere meditativen Beobachtungen führen uns daher zu der folgenden Annahme: Die Bronzezeit, die die Menschen veranlasst, von der Ganzkörperbestattung zur Kremierung überzugehen, bildet den Hintergrund für einen durchschlagenden Bewusstseinswandel. Die nachfolgende eisenzeitliche Urnenfelderkultur schließt sich fugenlos an und geht noch einen Schritt weiter. Im Gegenwartserlebnis des Einzelnen wird auch der Andere entdeckt und gewürdigt, er nimmt seinen Raum ein direkt neben mir. Im Begräbnisareal findet sich ein Bestattungsplatz unmittelbar neben dem anderen, neben vielen, vielen Dutzenden anderen.
Ein Nachwort
Ein wichtiges Ergebnis dieses Projekts ist noch nicht thematisiert. Das Ergebnis ist: Die aufgesuchten archäologischen Orte sprechen! Dieses leicht zu übersehene Ergebnis der Studie kann nicht hoch genug taxiert werden, muss überhaupt noch in der Tiefe begriffen werden. Die klassischen Kulturwissenschaften kennen diese Art der Annäherung nicht. Trotzdem leisten sie selbstverständlich eine unverzichtbare Vorarbeit. Sie manifestiert sich nicht zuletzt in den archäologischen Hinweisschildern. Diese verweisen auf ein zeitlich weit entferntes Geschehen und bringen dieses Geschehen mit anderen Orten und deren Geschehen in einen zeitlichen Zusammenhang. Dies ist die Voraussetzung für unsere Arbeit. Unsere Arbeit besteht darin zu ergründen, ob diese vor Urzeiten ereigneten Geschehen überhaupt, und wenn ja wie, seelisch erschlossen werden können. Anders als in der Trivialität eines Spaziergangs zu einem charakteristischen Ort haben wir uns an diesem Vorhaben in diversen Exkursionen und Zusammenkünften zielgerichtet und konzentriert abgearbeitet. Ein Mysterium liegt darin, dass diese gemeinsame Bemühung die Orte geistig aufgeschlossen hat. Wir waren erstaunt, dass unser Empfindungsvermögen in solche Subtilität gebracht wurde, dass geringfügig abseitige Orte als aus dem Zusammenhang fallend erlebt werden konnten, dass bspw. neben den bronzezeitlichen Hügeln sich andere ätherische Signaturen fanden, konkrete Signaturen, die aber als solche nichts im Zusammenhang mit den primären Fragen zu tun hatten.
Dank
Die Autoren bedanken sich herzlich für eine finanzielle Zuwendung der «Gesellschaft für Bildekräfteforschung». Im Weiteren bedanken wir uns bei «all den guten Geistern». Sie ermöglichten uns die inspirierten Wahrnehmungen und Erlebnisse, die sich uns dann auch inhaltlich erschlossen haben und einen konsistenten Zusammenhang im Sinne dieses Betrags formulieren ließen.
Dr. Jörg Heinlein ist Dipl.-Chemiker und arbeitet hauptberuflich an Forschungsprojekten und kommerziellen Aufträgen. Er hat ab den 1980er-Jahren in deutschen und US-amerikanischen Zen-Zentren und Klöstern an vielen, auch mehrmonatigen Übungseinheiten teilgenommen. Seitdem beschäftigt ihn die Möglichkeit, den buddhistischen meditativen Erfahrungskontext mit anthroposophischer Geist-Erkenntnis zu durchdringen. E-Mail: jheinlein @t-online.de
Corinna Rix, Ausbildung Eurythmie und Heileurythmie in Hamburg, arbeitet als Eurythmistin in Buxtehude.
Elisabeth Schutz-Heinlein, Eurythmieausbildung in München, arbeitet in der Kinderpädagogik in Elsdorf.
[1] Frank Teichmann: Der Mensch und sein Tempel. Megalithkultur. Stuttgart 1983, S. 147.
[2] Frank Falkenstein: Zum Wandel der Bestattungssitten von der Hügelgräber- zur Urnenfelderkultur in Süddeutschland. In «Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie», Band 297/2017, S. 77–96.
[3] Die Qualitäten der ätherischer Kräfte in der Kammer zu ergründen, wäre ein weitergehendes Thema, wobei die Erkundung des Vorhandenseins von chemischem Äther und Lebensäther einer prinzipiellen Einführung bedarf.
[4] Wir finden hier eine Parallelität zu den ägyptischen Begräbnispraktiken.