Wie Nazis versuchten, Rudolf Steiner zu ermorden
In diesen Tagen jährt sich zum hundertsten Mal das rechtsextreme Attentat auf Rudolf Steiner. Rechtsradikale Schläger versuchten 1922, den Anthroposophen nach einem Vortrag in München zu ermorden. Bewaffnet mit Pistolen, Dolchen und Totschlägern stellten sie ihrem Opfer nach. Steiner kam um Haaresbreite mit dem Leben davon – dank des beherzten Eingreifens seiner Freunde.
„Rechtsradikalismus und Anthroposophie waren schon vor 100 Jahren zutiefst unvereinbar!“, sagt Michael Schmock vom Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland (AGiD). Deshalb gilt: „Wer heute versucht, Anthroposophen in eine rechte Ecke zu drücken, betreibt bewusste Geschichtsfälschung!“
Eindrückliches Beispiel für den Hass von Rechtsradikalen und Nationalsozialisten auf die Anthroposophie ist das nur wenig bekannte Attentat, dem Rudolf Steiner vor fast genau 100 Jahren beinahe zum Opfer gefallen war. Der Zwischenfall ereignete sich am Abend des 15. Mai 1922 im Münchner Hotel "Vier Jahreszeiten". Am Ende eines Vortrags, den Steiner hielt, stürmte eine Gruppe Rechtsradikaler und Nationalsozialisten, die mit Hieb- und Stichwaffen ausgerüstet waren, die Rednertribüne. Nur „durch das mutige Eingreifen einiger Freunde konnte Rudolf Steiner geschützt werden“, wie ein Augenzeuge berichtete.
Schon im Februar 1920 hatte Steiner von der Existenz „schwarzer Listen“ erfahren, auf denen Nationalsozialisten Juden verzeichneten, die "niedergeschossen werden sollen". Solche Listen verweisen auf die Attentatspläne antisemitischer Organisationen, die damals bereits realisiert worden waren – wie die Ermordung Eisners 1919 – oder noch umgesetzt werden sollten – wie die Ermordung Erzbergers 1921, Rathenaus 1922 oder das Attentat auf Harden 1922. „Auf der Liste der zu erschießenden Persönlichkeiten fand sich, als Nummer 8 oder 9, auch Rudolf Steiner“, wie der Publizist und Steiner-Biograph Wolfgang G. Voegele feststellt.
Steiner galt in rechten Kreisen als Agent des internationalen Judentums und als Handlanger des Bolschewismus. Er selbst wusste um die Gefahr durch die Antisemiten: Ende 1921 wird er über die Absicht rechter Kreise informiert, ihn umzubringen. Rudolf Steiner fragte nach: "Also Sie meinen, man will mich abmurksen?" Der Warner bekräftigte: "Jawohl, davon bin ich überzeugt". Worauf Rudolf Steiner erkennen musste: "Ja, das wird schon so sein!“
„Deshalb gilt: Jeder Versuch, die anthroposophische Philosophie in die Nähe von rechtem Gedankengut zu stellen, ist absurd!“, sagt Michael Schmock. „Wer immer solch absurde Ideen zu vertreten versucht, zeigt, dass er keinerlei Kenntnis von der Freiheits-Philosophie der Anthroposophie hat und der daraus hervorgegangenen humanistischen Praxis, wie Waldorf-Schulen oder Demeter-Landwirtschaft!“
Stand: Stuttgart, 21. Juni 2022 (cf/mn)
Pressekontakt:
Sebastian Knust, knust @anthroposophische-gesellschaft.org
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