Kontemplation und Menschlichkeit
Andreas Blaser zu seinem von der AGiD geförderten Forschungsprojekt über Kontemplation und die Frage nach dem Menschen
Sebastian Knust: Warum hast Du Dein Thema gewählt, was interessiert Dich daran?
Andreas Blaser: Die altehrwürdige Frage „Was ist der Mensch?“ bzw. die Frage nach dem Wesen des Menschen ist für mich eines der faszinierendsten Rätsel, die es gibt. Da ich eine eingehende Beschäftigung mit dieser Frage suche, habe ich dieselbe als Forschungsthema gewählt. Nun bleibt besagte Frage für mich ungelöst, wenn nicht das Geistige und dessen Verhältnis zum Menschen berücksichtigt werden. Viele Weisheitstraditionen verorten das Wesen und den Ursprung des Menschen im Geistigen, nicht zuletzt in Gott. Die Kontemplation ist eine jahrhundertealte Praxis, in der die Anbindung des Menschen an etwas, das ihn übersteigt, gepflegt wird. In jener sehe ich daher einen interessanten Ansatz, um der Frage nach dem Menschen auf den Grund zu gehen.
SK: In welchem Zusammenhang steht Dein Thema zur Anthroposophie?
AB: Insofern die Anthroposophie laut Rudolf Steiner ein „Erkenntnisweg [ist], der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte“, bildet sie den Kern meines Themas: Mensch und Kontemplation. So versuche ich in meinem Projekt einen Weg zu gehen, auf dem das Menschsein und seine Beziehung zum Geistigen beleuchtet werden. Neben der kontemplativen Praxis, wie sie in Klöstern gepflegt wurde, orientiert sich mein Thema am anthroposophischen Schulungsweg. Rudolf Steiners vorbereitende Übung der „inneren Ruhe“ bildet hierbei den Ausgangspunkt meiner kontemplativen Arbeit.
SK: Hast Du durch die Beschäftigung mit Deinem Thema schon interessante Ideen oder Perspektiven gefunden? Möchtest Du eine oder mehrere mit uns teilen?
AB: Beziehung ist ein Aspekt, den ich momentan erkunde. Aus dieser Perspektive zeigt sich der Mensch als ein Wesen, das in Isolation – ohne Beziehung auf anderes und sich selbst – nicht zu denken ist. Rudolf Steiners Wochensprüche drücken das vielfältige Bezogensein des Menschen auf die Natur, das Geistige und sich selbst auf wunderbare Weise aus. Wenn aber das Menschsein relational verfasst ist, lässt sich dasselbe nicht ohne sein vielfältiges Bezogensein verstehen. Vielleicht reicht dieses Bezogensein bis in die existenzielle Schicht der menschlichen Identität, sodass nicht nur das Was, sondern auch das Wer des Menschen durch Beziehungen Gestalt gewinnt. Zugleich scheint mir der Mensch über die wertvolle Fähigkeit zu verfügen, die Art und Weise, wie er zur Wirklichkeit in Beziehung tritt, mitzugestalten.
Hinsichtlich der Beziehung des Menschen auf das Geistige fällt mir z.B. die Liebe als eine Wirklichkeit auf, die sich aus der Nähe speist, die zwischen dem Menschen und dem Geistigen besteht. Diesen Gedanken möchte ich weiterverfolgen.
Andreas Blaser | geboren 1993, im Kanton Zug, Schweiz, studierte Philosophie und englische Sprach- und Literaturwissenschaft in Zürich. Anschließend absolvierte er seinen Master in Theoretischer Philosophie in München und arbeitete im Sekretariat des Arbeitszentrums München mit. Er gibt Kurse für Philosophie an der Münchner Volkshochschule, hält Vorträge bei der Langen Nacht der Philosophie und schreibt an einer Arbeit über Kontemplation und Menschlichkeit.