Vom übenden Umgang mit den Mantren der Klassenstunden ‒ Hochschule in Entwicklung
Das zurückliegende Kolloquium in Stuttgart stand inhaltlich im Zeichen der Mantren der 14. Klassenstunde. Diese Mantren wurden in acht Arbeitsgruppen auf sehr unterschiedliche Art und Weise erarbeitet. In einem anschließenden Plenumsgespräch wurde die methodische Vielfalt der Arbeitsansätze deutlich. Der Stil der Zusammenkunft war geprägt durch Dialog, Interesse an der Sache, Stehenlassen-Können des Verschiedenen, Bereitschaft zum Mitmachen und Verzicht auf Belehrung von Anwesenden oder Nicht-Anwesenden. Hilfreich für die Arbeit war der Einstieg durch eurythmische Übungen, die sich einerseits auf den Kontakt zur eigenen Leiblichkeit und zum seelischen Umraum bezogen, andererseits in der eurythmischen Gebärde des L durch die Verbindung seiner Substanz-zugewandten Seite und seiner auflösenden Tendenz die Essenz der Mantren ins Erleben brachte. Ein weiteres künstlerisches Element waren die anschließenden Hörübungen, in denen es darum ging, das Hören zu aktivieren und zu weiten, sodass es „schwellenfähig“ wird. Inhaltliche Impulsreferate zum Thema „Mitte bilden“ und „Was bedeutet hörendes Meditieren?“ wurden in Kleingruppen und im Plenum verarbeitet.
Das Kolloquium steht im Zeichen von Hochschule in Entwicklung. Damit ist nicht das aktive, zielgerichtete Entwickeln der Hochschule durch einzelne Menschen gemeint, die zu wissen meinen, was sein soll, sondern das Öffnen von Räumen, in denen Entwicklung sich ereignen kann. Grundlegende Bedingung dafür ist Bewegung und Wärme. Insofern versteht sich die Initiative selbst auch als eine übende, werdende, im Prozess befindliche.
Hochschule in Entwicklung steht für einen Potenzialraum an Initiative. Verabredet ist eine weitere Fortsetzung der Kolloquien zum „übenden Umgang mit den Mantren der Klassenstunden“ am 14. und 15. November 2025. Für die kommenden Jahre sind auch inhaltlich anders ausgerichtete Initiativen in Vorbereitung.
Eine der zentralen Fragen, die mit Blick auf eine sich entwickelnde Hochschule zu erforschen ist, bezieht sich auf die Darstellungen Rudolf Steiners am 30. Januar 1923 (GA 257) zu den drei Schritten der Anthroposophie: „So beginnt Anthroposophie überall mit Wissenschaft, belebt ihre Vorstellungen künstlerisch und endet mit religiöser Vertiefung; ... So sollen wir auf dem Wege der Anthroposophie ausgehen lernen von der Erkenntnis, uns erheben zur Kunst und endigen in religiöser Innigkeit.“ Jede Meditation vollzieht diesen Dreischritt von der Form zum Wesen. Könnte es sein, dass die drei Schritte der Anthroposophie auch für die Ausgestaltung der Arbeitsformen der Hochschule gelten? Wie könnten Formen aussehen, in denen „religiöse Vertiefung, religiöse Innigkeit“ im Sinne geistiger Kommunion und Partizipation für eine Gemeinschaft von Menschen auf Hochschulebene möglich werden?
Ist der Vortrag Rudolf Steiners in der Brandnacht am 31.12.1922 zur geistigen Kommunion, in dem es um spirituelle Erkenntnis als kosmischer Kultus geht, heute ein Auftrag an die Hochschule, nach zeitgemäßen Formen zu suchen, die nicht nur individuell, sondern auch gemeinschaftlich vollzogen werden können?
Die das Kolloquium abschließende Feier mit „künstlerisch-kultischen Elementen“ war als Versuch gemeint, zu den oben genannten Fragen konkrete Erfahrungen zu sammeln.
Matthias Bölts