Ein Herzorgan bilden
Ein Bericht des Jungen Initiativkreises zum Sommertreffen in Schloss Hamborn im Juli 2022.
Es war an einem warmen Sommerabend im Juli, als wir aus allen möglichen Ecken Deutschlands in einem bunt blühenden Schulgarten in Schloss Hamborn zusammenfanden. Der Geruch von Friedemanns Bratkartoffel mit Tzaziki lag in der Luft. So bildete sich unser erster Programmpunkt: das Abendessen. Gut angekommen mit gesättigtem Magen und erfüllt von den ersten Begegnungen stimmten wir uns gesanglich auf das „Visionsfeuer“ ein. Immer mehr entspannte sich nun die doch etwas aufgeladene und von Erwartung getragene Stimmung. Mit dem Feuer in unserer Mitte entstand nun ein wärmender Raum, in dem jeder seinen oft sehr spürbar geführten Weg zu diesem Treffen in der Runde schildern konnte. Fragen, die in den Einzelnen lebten, wurden mit berührender Ehrlichkeit und Vertrauen in den Raum gegeben. Dieser Feuerkreis, erfüllt von Erwartung, Authentizität, Offenheit und Tiefe, bildete die Grundstimmung für den anschließenden Samstag und Sonntag. Irgendwie war ein Grundgefühl zu spüren: wir sind am richtigen Platz angekommen und haben etwas miteinander zu tun.
Nach einem reichhaltigen Frühstück in der Morgensonne stimmten wir uns in unserem Zelt mit einer Gesangs- und Bodypercussion-Runde mit Alina und Lisa auf den Tag ein. Dann näherten wir uns meditierend und im Gespräch dem „Grundsteinspruch“ von Rudolf Steiner und der „Ersten Klassenstunde“. Auch diese Arbeit bildete eine Art Bodenschicht und stellte zu Tagesanfang Wesentliches der Anthroposophie in unsere Mitte.
Auf diesem Boden begaben wir uns nun in einzelne Arbeitsgruppen: Die Frage nach einer deutschen Jugendsektionsgründung, die Vorbereitung auf die „Indaba Woche 2023“ und Themen, die sich aus der vorigen Grundlagenarbeit ergaben, wurden in den verschiedenen Arbeitsgruppen bewegt.
Am Nachmittag trafen wir uns wieder in der großen Runde zur Einheit: Jugendsinn. Der Bogen vom Gründungsimpuls der Jugendsektion über verschiedene anthroposophische Jugendbewegungen in der Vergangenheit wurde von Matthias und Mischka gespannt. Inspirierend war zu hören, dass die erste Jugendsektion am Goetheanum von drei Menschen (Röschl, Lehrs und Rath) geführt und gegründet wurde, die sich stark voneinander unterschieden. Gerade die Überwindung der Polaritäten bildete eine kraftvolle und beständige Grundlage für ihre Zusammenarbeit. Ein Gedanke, der ermutigend und inspirierend für die zukünftige Arbeit unserer bunt zusammengewürfelten Gruppe ist. Nun widmeten wir uns unseren ganz persönlichen Fragen. Magdalena führte in eine Übung ein, in der wir unserer Herzensfrage begegneten und sie körperlich bewegten. Anschließend kamen wir in einen bereichernden Austausch darüber.
Nach einer kurzen Pause wechselten wir den Raum, machten eine Übung zum Lauschen der Stille mit Almuth und versuchten wahrzunehmen, was zwischen uns lebt. Die Frage wie eine Jugendsektion im Deutschland konkret werden kann, stand nun sehr stark im Raum. Wir hörten konkrete Projektvorschläge: Eine Reise durch Deutschland, um die viele Initiativen und jungen Menschen, die sich für die Anthroposophie begeistern und einsetzen, kennenzulernen und damit eine Art „Landkarte“ der vielen Projekte Deutschlands zu schaffen, klang an. Eine große Tagung für 2024 mit dem groben Thema „Wie entwickeln wir die Anthroposophie für ihr nächstes Jahrhundert weiter? Was ist die Aufgabe des 2. Jahrhunderts?“ war eine andere Idee. Die Gestaltung eines monatlichen „Online-Raumes“, in dem ein deutschlandweiter Austausch zu Projekten stattfinden könnte; Sprinter-Busse mit einer mobilen Jugendsektion; ein Forschungsprojekt zu Motiven der Jugend; ein „Haus der Fragen“ und einiges mehr wurde bewegt. Eine Geburtsstimmung war zu spüren. Endlich fing die Sache an, greifbar zu werden. Müde, aber erfüllt von den vielen Ereignissen, die wir erlebt hatten, ließen wir den Tag mit Essen, einer Führung durch das Gelände von Schloss Hamborn und einer vertrauten Highlight-Runde am Feuer ausklingen.
Trotz einer etwas abgedämpften Morgenstimmung ging der Sonntag mit Singen, Bodypercussion, Improvisation, Mantra und anschließender Gruppenarbeit los. In der Gruppe, die sich zur Jugendsektionsfrage traf, kristallisierte sich aus dem Beitrag von David das Motiv des Herzens als mögliches Leitbild für unsere Arbeit heraus. Das Herz nicht als Pumpe, sondern als Wahrnehmungsorgan. Ein Mittelpunkt im Menschen, wo die Ströme des sauerstoffarmen und sauerstoffreichen Blutes sich treffen. Wo ein Aufwachen geschieht. Ein Wiedererinnern. Das Herz kann nur im Zusammenhang mit dem Blut und der Bewegung des Blutes gedacht werden. Das Blut und sein Strömen bringen das Herz zum Schlagen. All dies waren Einsichten, die uns im Gespräch inspirierten.
Nach einem letzten Essen von Friedemann erklangen dankbare, warme, ehrliche Worte im Abschlussplenum. Eine große Freude für uns alle war die gelungene und lebendige Zusammenarbeit der unterschiedlichen Altersgruppen – es waren 3- bis 53-Jährige anwesend!
Eine „Wärmehülle“, die während des Treffens erlebbar war, ermöglichte, dass das Wollen der Gruppe langsam sichtbar werden konnte: Wir wollen ein „Herzorgan“ bilden für die junge Anthroposophie in Deutschland.
Alle Leser dieses Artikels die sich angesprochen fühlen mitzuwirken – wir freuen uns sehr von euch zu hören! Schreib uns gerne: junger.initiativkreis@posteo.de
Salome Seeberger | Junge Theaterpädagogin in Nürnberg
Lisa van Holstein | Studierende an der Freien Hochschule Stuttgart, Seminar für Waldorfpädagogik