Spirituelle Vertiefung und Zusammenarbeit nach Außen
Über die Mitgliederversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland 2021 in Stuttgart
Die diesjährige Mitgliederversammlung am 19. Juni 2021 war eingebettet in zwei weitere Veranstaltungen: Am Freitagnachmittag und -abend versuchten wir einen Vorblick auf das Michael-Fest in München vom 1. bis 3. Oktober 2021 und am frühen Samstagmorgen wurde als ein zweiter Programmpunkt eine Aussprache zu Zweig- und Gruppenthemen angeboten. Dieses Gespräch war von den Initiatoren des geplanten Zweig- und Gruppentages am 28. November in Kassel angeregt worden.
Michaelische Qualitäten in der Anthroposophischen Gesellschaft
Die Hoffnung der Vorbereitungsgruppe für das Michael-Fest war es, mit Menschen die für das Fest gewünschte Arbeitsform schon einmal zu erproben und mittragende Helfer für diesen Impuls zu gewinnen. Etwa 30 Interessierte trafen sich zu Fragen „Michaelischer Qualitäten in der Anthroposophischen Gesellschaft“ am Freitagnachmittag in der Cafeteria des Rudolf Steiner Hauses.
Es begann nach einführenden Worten mit einem sehr besonderen Hörerlebnis, angeleitet von Petra Ziebig, Thomas Leins und Marcus Gerhardts. Speziell geschmiedete eiserne Klangplatten, Klangstäbe und kleine Gongs kamen dabei von uns Teilnehmenden zum Einsatz. Der ergreifende Klang dieser Instrumente erfüllte in vielfältigsten Schwingungen den ganzen Raum und lud zu einem vertiefenden Hören ein.
So eingestimmt, verteilten wir uns in kleine Gruppen für ein Gespräch über mitgebrachte Sätze. Die Teilnehmenden waren im Vorfeld gebeten worden, einen für sie wesentlichen Satz in Bezug zu Michael und der Anthroposophischen Gesellschaft aufzuschreiben.
Im rückblickenden Austausch nach dem Abendessen wurde von allen Gruppen von sehr ernsten, interessanten Gesprächen berichtet. Oft hatte man zunächst unkommentiert den mitgebrachten Sätzen Raum gegeben und war anschließend, von diesen inspiriert, in ein freies Gespräch eingetreten. Durch die Aufmerksamkeit und Zurückhaltung der Beteiligten leitete sich das Gespräch in den meisten Gruppen ganz von selbst, ohne äußere Gesprächsleitung, so dass auch hier ein besonderer Hör-Raum erlebt wurde. Das Zusammentragen der Gruppenerfahrungen mündete in einem achtsamen, würdevollen Gespräch über verschiedenste Facetten michaelischen Mutes und anderer Zukunftsqualitäten. Zum Abschluss versuchten wir uns noch einmal durch die Klanginstrumente im gemeinsamen Tönen zu begegnen. Dieses Treffen hat große Vorfreude gemacht auf das Michael-Fest im Herbst.
Wir sprechen über Zweig- und Gruppenarbeit
Frühaufsteher waren am Samstagmorgen um 9.00 Uhr eingeladen zu einem Austausch über Fragen der Zweig- und Gruppenarbeit. Anwesende konnten ihre Fragen dazu in den Kreis geben, woraus sich verschiedene Kleingruppen bildeten.
Nach etwa 40 Minuten intensiven Gesprächs in den kleinen Gruppen kamen alle wieder zusammen und berichteten sich gegenseitig. Im Zentrum standen Aspekte zur Gesprächskultur sowie die Frage, wie gemeinsam stärker in das wirkliche Erleben der Inhalte eingetreten werden könne. Auch die Frage nach anderen Formen einer Zusammenarbeit jenseits der klassischen Zweigform, nach einem mutigen, experimentellen Ausprobieren und Reflektieren neuer Arbeitsmethoden oder der Bedeutung eines konkreteren Einbezuges von Zeitfragen wurden bewegt.
Für die Kürze der Zeit entstanden hier erstaunlich viele substanzielle Gedanken und Fragen. Es musste bei Impulsen bleiben, jedoch schien mir ein Bewusstsein und ein ernstes Interesse anwesend, diese Themen weiterbewegen zu wollen. Das war im Sinne der Vorbereiter die Hoffnung gewesen.
Mit freudiger Erwartung sollen diese Gespräche am 28. November in Kassel beim zweiten Zweig- und Gruppentag eine Fortsetzung und weitere Vertiefung finden.
Mitgliederversammlung der AGiD
Bei sommerlicher Hitze begann um 11.00 Uhr die Mitgliederversammlung im großen Saal des Rudolf Steiner Hauses Stuttgart. Die Veranstaltung wurde mit einer eindrucksvollen Eurythmie-Darbietung des Else-Klink-Ensembles eröffnet. Wie lange hatte wir auf so etwas verzichten müssen!
Mit kurzem Flüstergespräch zu zweit über Entwicklungsfragen der Anthroposophischen Gesellschaft und Bewegung, unsere beobachteten Sorgen, Freuden, Kritikpunkte und Empfindungen nach Handlungsbedarf, begann eine allgemeine Aussprache, die dann im ganzen Plenum ihre Fortsetzung fand. Fragen standen hier im Raum, die sich zum Teil auch direkt an die Mitglieder des Arbeitskollegiums wendeten: Wer ist aus dem Arbeitskollegium Ansprechpartner für Belange der Zweige und Gruppen? Wie kann man jüngere Menschen für die Anthroposophischen Gesellschaft gewinnen und wie sollte man an sie herantreten? Wie lässt sich mit Spaltungstendenzen in unseren Kreisen umgehen? Wie können wir angemessen auf Rassismus- und Verschwörungsvorwürfe reagieren? Natürlich wurden auch kritische Äußerungen abgegeben. Insgesamt aber war das Gesprächsklima respektvoll, offen für alle Ansichten und informativ.
„Die Zukunft lässt sich nicht berechnen“, ein künstlerisches Umgehen sei hier gefragt. Mit diesen Worten leitete Julian Schily als Schatzmeister den Blick auf die Finanzen ein. Obwohl vieles bei den Entwicklungen der zur Verfügung stehenden Mittel Anlass zur Sorge geben könnte, wurde dieses nicht als Druckmittel verwendet, sondern ganz offen über verschiedene Möglichkeiten gesprochen, wie die anstehenden Aufgaben angegangen werden könnten. Es ist deutlich geworden, dass Schritte gemacht werden müssen und weitere Ideen gefragt sind.
In den anschließenden Wahlen wurden Michael Schmock als Generalsekretär und Julian Schily als Schatzmeister mit hoher Zustimmung bestätigt.
Beim Ausblick auf das kommende Jahr beschrieb Michael Schmock zwei große Arbeitsfelder als wesentlich und konstituierend für die Anthroposophische Gesellschaft: zum einen das Feld der esoterischen Vertiefung der Anthroposophie, zum anderen die Zusammenarbeit mit den Lebensfeldern.
Das Bedürfnis nach Vertiefung und esoterischem Streben habe zugenommen. Hier wurden beispielhaft Unternehmungen der Jungen Hochschule und anderer Initiativen zu Hochschulaktivitäten, das Treffen der „übersinnlich Wahrnehmenden“, die junge Stuttgarter Initiative „b-the-change“ oder der Gestaltungsversuch des Michael-Festes genannt.
Auf der anderen Seite stünde die umfangreiche Zusammenarbeit mit den Lebensfeldern, Institutionen, Einrichtungen, Verbänden, bis hin zur Zivilgesellschaft, aus denen neue Partnerschaften, Projekte und Arbeitsstile hervorgegangen seien.
Die Aufgabe sei nun, ein Gleichgewicht zu erhalten zwischen den beiden Feldern, wobei in dieser Mitte der Kommunikation und den damit verbundenen Medien, den Mitteilungen und dem Newsletter, eine besondere Aufgabe zukäme. In diesem Zusammenhang berichtete Sebastian Knust anschaulich von seiner Tätigkeit für den Newsletter und den Umgang mit Rassismusvorwürfen in der Öffentlichkeitsarbeit.
Nachdem Florian Zebhauser zum Michael-Fest nach München vom 1. bis 3. Oktober 2021 eingeladen hatte und Barbara Messmer zum Zweig- und Gruppentag am 28. November nach Kassel, gab es noch einmal Gelegenheit, persönliche Anliegen einzubringen und dem Arbeitskollegium mit auf den Weg für das kommende Jahr zu geben.
Die Versammlung endete mit einem Totengedenken von Christine Rüter, das in seiner Weise einen gelungenen neuen Griff darstellte. Mit der Stimmung eines Märchens, das die Frage nach Leben und Sterben stellte, und der Darstellung eines ganz persönlichen Erlebnisses, wurde der Raum für eine Verbindung mit den Verstorbenen wirklich bereitet. Als letztes durften wir noch einmal in die eurythmische Aufführung vom Vormittag eintauchen.
Für mich war das Treffen eine rundum gelungene Veranstaltung, informativ, mit vielen schönen Begegnungen, einem respektvollen Umgang untereinander und neuen Ansätzen und Ideen. Ich wünsche mir, dass Anthroposophie mehr und mehr auch im gemeinschaftlichen Miteinander real wird und eine echte Alternative zu gewöhnlichen Gemeinschaftsformen sein kann. Für mein Empfinden haben wir auf dieser Mitgliederversammlung dazu etwas beigetragen und ich hoffe, dass im nächsten Jahr wieder mehr Menschen die Möglichkeit und das Interesse haben werden, auf diesem Wege mit tätig zu werden.
Anke Steinmetz | Vertreterin des Arbeitszentrums Nord