Zeitsymptome via Telefonkonferenz
Der Telefon-Zweig im Arbeitszentrum Hannover
Altersbedingt sind manche Anthroposophen nicht mehr so mobil, auch wenn sie sonst noch sehr rege und geistig beweglich im Leben stehen. Coronabedingt geht es den Anderen jetzt ähnlich. Wegen der Kontaktsperre waren Vorträge, Gruppen- und Zweigarbeit einige Wochen lang nicht möglich. Daher bieten wir im Arbeitszentrum Hannover einen Telefon-Zweig an. Dienstagabends besteht die Möglichkeit, sich mit dem Telefon zum Gespräch zu verbinden. Bis zu 30 Mitglieder am Abend machen davon Gebrauch. Die Arbeitsweise mussten wir erst finden. Es zeigt sich, dass das Vorlesen auch kleiner Textausschnitte schwierig ist, weil der gelesene Text nicht so schnell aufgenommen werden kann. Hingegen sind ein für die nächste Woche vereinbartes Thema oder der Verweis auf einen aktuellen Artikel z. B. zum Zeitgeschehen aus den Zeitschriften „Das Goetheanum“ oder „Die Drei“ und eine kurze Einführung durch einen Teilnehmenden gute Gesprächsgrundlagen, zumal sich immer mehr Mitglieder auf das Gespräch damit vorbereiten.
Den passenden Moment zu finden, um sich ins Gespräch einzubringen, erfordert noch mehr Aufmerksamkeit und Zurückhaltung, als wenn wir in einem Raum physisch beieinander sitzen; aber das üben wir. Natürlich erleben wir alle schmerzlich den Unterschied zwischen realer menschlicher Begegnung und dem Austausch am Telefon. Das ist viel deutlicher spürbar als bei einem Telefongespräch zu zweit, auch wenn wir modernen Menschen das leicht verdrängen. Hilfreich für das Gespräch ist es, gelegentlich daran zu erinnern, wo die Menschen zuhause sind, die gerade gesprochen haben, damit das Bewusstsein dafür, welchen Raum wir zwischen uns aufspannen, nicht verloren geht.
Thematisch sind wir meist dicht am Zeitgeschehen. Dabei bemühen wir uns mehr oder weniger erfolgreich, ausreichend Abstand zu der Ebene der Alltagsmeinung zu halten, um im Zeitgeschehen die symptomatischen, geisteswissenschaftlichen Aspekte zu bemerken und zu besprechen. Die geisteswissenschaftlichen Aspekte dieser Kommunikationsform in einer Gruppe mittels eines technischen Mediums umfassend zu reflektieren, steht noch aus.
Nun ist die Gruppen- und Zweigarbeit an den meisten Orten wieder möglich, aber das Interesse am Telefon-Zweig besteht fort. Mitglieder, die aus welchem Grund auch immer nicht an Vorträgen, Gruppen- oder Zweigarbeit teilnehmen (können), gibt es weiter. Die meisten Teilnehmenden waren positiv überrascht, wie gut das inhaltliche Gespräch am Telefon verlief. So werden wir den Telefon-Zweig fortsetzen.
Thomas Wiehl | Arbeitszentrum Hannover