Die Menschen sind die Erde
Sinja Jessberger zu ihrem von der AGiD geförderten Forschungsprojekt über ein neues Sehen der Natur
Sebastian Knust: Warum hast Du Dein Thema gewählt, was interessiert Dich daran?
Sinja Jessberger: Von zwei Richtungen her ist meine Forschungsfrage des neuen Sehens der Natur getragen: Mich bewegt die ökologische Situation unserer Erde tief, die Gesundheit und Fruchtbarkeit und Integrität der Landschaften unseres Planeten. Können wir dafür wieder einen Sinn kultivieren? Und auf der anderen Seite die Menschen, die wir ein entscheidender Teil der Ökologie sind. Die individuelle Beziehung zur Natur verstehe ich als ein wesentliches Element für die ökologische Entwicklung wie auch für meine menschliche Entwicklung. Die Natur, was lehrt sie mich? Ein Zweig, wie bewegt er mich?
Ich habe begonnen, mit Freunden mit Kunst- und Naturbetrachtung zu arbeiten, die Wahrnehmung selbst als Kunst zu verstehen. Das hat eine Quelle in mir zum Sprudeln gebracht, aus der dann Fragen in die Welt sprudelten und Empfindungen sich in mich einprägten. Ich habe das Gefühl, mein Denken wird dadurch lebendiger.
SK: In welchem Zusammenhang steht Dein Thema zur Anthroposophie?
SJ: Das Thema steht in der Tradition von Goethes Weltanschauung und ist durch die Stufen der anthroposophischen Wahrnehmungsmeditation inspiriert. Was ich mit Neu Sehen meine: Es ist der Übergang – oder Sprung? – vom analytischen, zergliedernden Angucken, zu dem unser modernes Denken und Wahrnehmen in der Informationsgesellschaft erzogen wird, hin zu einem synthetischen, einem poetischen Sehen. Es geht dabei um die wesentliche Begegnung, in dem die Dinge als Ganzheiten sprechen, sprechend werden, und um die Wahrnehmungsfähigkeiten, die aus dieser Begegnung entspringen und für diese Begegnung gebildet werden. Das finde ich sehr interessant und diese Impulse möchte ich ins Psychologiestudium integrieren.
SK: Hast Du durch die Beschäftigung mit Deinem Thema schon interessante Ideen oder Perspektiven gefunden? Möchtest Du eine oder mehrere mit uns teilen?
SJ: „Die Menschen sind die Erde“ – das durchdringt mein Denken seit vergangenen Sommer. Die Menschen in der Entfaltung ihrer Individualität zu unterstützen, das als Dienst an der Zukunft der Erde zu verstehen, erweitert sozusagen den Radius des Neuen Sehens. Die neue Frage geht also mehr in die Richtung: Was ist und wie entsteht eine Ökologie des Bewusstseins?
Sinja Jessberger, geboren 1994. Ursprünglich wollte ich Wahrheit und Schönheit studieren. Bin ich dem in meinen Studien- und Wanderjahren doch noch auf die Spur gekommen? Momentan vollende ich den Masterstudiengang Klinische Psychologie und Psychotherapiewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke und arbeite beim Integrierten Begleitstudium für Spirituelle und Anthroposophische Psychologie. Im Kern meiner Ausbildung steht seit drei Jahren die Mitwirkung an sozial-künstlerischen Initiationswochen für junge Menschen in Deutschland und Gambia.