Sich gegenseitig verstehen wollen
Bei dem Michaeli-Treffen 2023 der Jungen Anthroposophen Norddeutschland beschäftigten sich über 20 junge Menschen mit Themen rund um Fragen zu maskulinen und femininen Qualitäten. Zwei Kurzbeiträge skizzieren einige Aspekte.
Eine besondere und überraschend ergreifende Tiefe
An einem Wochenende allein schafften es 23 junge Männer und Frauen durch Vorträge und Diskussionen zu „Was ist das Maskuline, Männliche in uns“, geführt von Fynn Lehnert (Männercoach), und zu „Zykluswissen der Frau“, vertieft mit Nela Schmitz (Expertin für Zyklusachtsamkeit, Lomi-Lomi-Masseurin und Weiblichkeitscoach), eine besondere und überraschend ergreifende Tiefe zwischen allen Beteiligten zu schaffen. Lange klangen wohlig die Echos des Gedachten, Gespürten und Gesagten zwischen den Teilnehmenden hindurch zum sonnigen Sonntag, an dem Christine Rüter von der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland zur anthroposophischen Vertiefung Aspekte zur Frage nach dem Sinn der Zweigeschlechtlichkeit hinzustellte. Intensive Präsenz, Gegenwärtigkeit und wärmste Verbundenheit mit Ehrlichkeit gegenüber dem eigenen Schmerz, Frust und Wut schafften ein Miteinander, bei dem die Teilnehmenden sagen konnten: „Man(n) hat wieder Lust, Mann zu sein“ und „Es macht große Lust, Frau zu sein“.
Fynn Lenhert | Referent
FEMININ – | FEMININ + |
| MASKULIN + | MASKULIN – |
Chaotisch | Kreativ | Sicherheit | Bewusst | Kontrolliert |
Selbstzweifel | Vertrauend | Einheit | Beschützend | Draufgängerisch |
Co-abhängig | Vernetzt | Demut | Organisiert | Überarbeitet |
Lustlos | Sinnlich | Authentizität | Visionär | Egoistisch |
| Sein | Synergie | Machen |
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Sammlung der femininen und maskulinen Licht- und Schattenseiten, von der Gruppe erarbeitet zum Thema Maskulinität. In Gelb ist die „Einheit“ der Maskulinität und Femininität dargestellt.
Eine so ehrliche Debatte
Das Oktober-Treffen der JAN-Initiative thematisierte „maskuline und feminine Qualitäten“. Am Samstagvormittag wurde die Maskulinität, ihre Stärken und Schwächen und Unterscheidung zur Femininität, beleuchtet. Dazu kam die Differenzierung von Maskulinität und „Mann sein“ und Femininität und „Frau sein“. Der Nachmittag widmete sich dem Thema des weiblichen Zyklus. Ich gebe zu, dass ich mit Sorge diesem Wochenende entgegenblickte und auch mit der Frage „Was soll ich da?“. Klar, aus biologischer Sicht wusste ich natürlich, wie der weibliche Zyklus abläuft. Auch, dass er mal angenehmer und mal weniger angenehm sein kann. Genauso wusste ich, dass „Mann“ zu solchen Zeiten tunlichst still ist und, wenn überhaupt, pflegend zur Seite steht. Nun sollte sich ein ganzes Wochenende um dieses Thema drehen. Das konnte heiter werden. Genderdebatte … hatte ich gar keine Lust drauf.
So traf ich am Nachmittag ein und begab mich in einen Kissenkreis (es wirkte auf mich wie der typische Geburtsvorbereitungskreis – na super). Eine Kerze in der Mitte eines roten Tuches darumgelegt. Und dann ging es los. Nela Frida Schmitz, unsere Gastdozentin, nahm mich mit ihrer einmaligen energiegeladenen und fröhlichen Art auf eine Reise mit, die ich definitiv nicht erwartet hatte. Offen wurde der Zyklus besprochen. Als Stärken den Jahreszeiten zugeordnet. Lebenserwachen im Frühling, Lebensbejahen im Sommer, Ernten im Herbst und Sterben im Winter – „the Circle of Life“. „Mein Gott“, dachte ich bei mir, „ich habe schon mit einem Lebenszyklus Probleme und eine Frau macht das jeden Monat durch. Bin ich froh, ein Mann zu sein.“
Am Sonntag wurden noch einmal beide Geschlechter durch Christine Rüter in den anthroposophischen Kontext eingebettet. Welches Geschlecht hat der ätherische Leib, wenn der physische Leib weiblich ist? Wenn die Grenzen der Geschlechter zu verschwimmen beginnen, sind wir dann wirklich auf der Erde inkarniert?
Das Erstaunliche und Wunderschöne bei dieser Reise war, dass die Stimmung nicht kippte. Es wurde nicht zu „arme Frau – böser Mann“, sondern zum „Verstehen-Wollen“. Beide Geschlechter waren ernsthaft am Verstehen interessiert. Eine so ehrliche Debatte …! Vielen Dank an alle Beteiligten. Am Ende habe zumindest ich das Wochenende mit einem ganz neuen und differenzierteren Bild von den Qualitäten der Geschlechter verlassen.
Frederic Rüter | Teilnehmer