„Wir rufen nach der Freiheit und haben gleichzeitig genau davor Angst“
Treffen der Allianz anthroposophischer Verbände und Organisationen
Seit 2016 trifft sich dieser Kreis von verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den anthroposophischen Verbänden und Organisationen zwei Mal im Jahr. Das ist nicht allzu oft, doch regelmäßig genug, um mit den Jahren immer wesentlichere Perspektive und Fragen zu bearbeiten. Wie geht es der Anthroposophischen Bewegung heute? Wie wirkt sich die aktuelle gesellschaftliche Situation auf die anthroposophische Praxis aus – eine spirituelle Praxis, die davon lebt, nah am Menschen und an der sinnlichen Welt sein zu können? Lassen sich die heutigen Herausforderungen in der Pädagogik, in der Landwirtschaft und Medizin, als Fußspuren verstehen, in denen der Auftrag der Anthroposophie sichtbar wird? Und vor allem – lässt sich aus diesen Fußstapfen herauslesen, wohin die Spur führt?
Bei unserem letzten Treffen am 28. September 2020 in Bochum konnten wir ein Blick auf die Entwicklung und Aufgabestellung der Christengemeinschaft werfen. Tom Tritschel schilderte die zeitgeschichtliche Bewusstseinssituation so: „Wir rufen nach der Freiheit und haben gleichzeitig genau davor Angst.“ Wenn man tiefer schaue, so komme man zu der Frage: „Wie stärkt man das Vertrauen als Seelenkraft?“. Dabei sei die Glaubenspraxis „ein Weg, auf dem man das üben kann“. Seit hundert Jahren versucht die Christengemeinschaft eine Hilfestellung zu geben. Die Herausforderung, gerade in der Corona-Zeit, ist es laut Trischel, Gemeinschaftsbildung zu pflegen und die persönliche Auseinandersetzung mit dem Tod zu vertiefen. „In Zukunft wird es auch gesamtgesellschaftlich immer mehr darum gehen, ein neues, unsentimentales Verhältnis zu der Sphäre des Sakralen zu gewinnen – nicht durch Offenbarung, sondern durch eine aktive, innerliche und willensdurchdrungene Tätigkeit.“
Aufgrund der aktuellen Situation haben wir uns zum Themenfeld Anthroposophie, Rassismus und Diskriminierungen aller Art auseinandergesetzt. Im Gespräch wurde die Komplexität des Themas deutlich. Neben der notwendigen, eindeutigen Abgrenzung und der Aufarbeitung der Vergangenheit geht es uns auch darum, das positive, zukunftsstiftende Menschen- und Weltbild der Anthroposophie besser herauszuarbeiten und sich nicht in Kleinkriege zu verzetteln. Mein Fazit: Die Fragestellung wird konkreter und perspektivischer, wenn man sie vor dem Hintergrund der gesamten Anthroposophischen Bewegung bespricht. In diesem Sinne haben wir ein weiteres Treffen verabredet, denn – wir wollen das Thema anpacken.
Matthias Niedermann, AGiD – Assistenz des Vorstands